Im Zusammenleben mit Kindern geht es immer wieder darum, gemeinsam herauszufinden, was es braucht, damit sich jeder wohl fühlen kann. Für uns Erwachsene sind dies in der Regel Dinge, wie morgens rechtzeitig aus dem Haus kommen, eine saubere, aufgeräumte Wohnung und gewaschene Kinder, geputzte Zähne, frische Windeln, geruhsame Abende, wenn die Kinder im Bett liegen.
Für die Kinder sind all diese Dinge in der Regel unwichtig. Sie wollen hauptsächlich selbstbestimmt ihre Zeit einteilen, durch Spielen das lernen, an was sie gerade am meisten Interesse haben und vor allem Anderen ganz viel (körperliche) Nähe zu uns spüren. So stehen sich leider in den allermeisten Fällen die unterschiedlichen Bedürfnisse im Weg. Dieses zu erkennen, ist aber schon mal ein erster großer Schritt in die richtige Richtung. Denn dann hört man auf zu denken, die Kinder täten die Dinge nur nicht, um uns zu ärgern oder weil sie zu faul sind oder was auch immer. Ihre Interessen und Bedürfnisse anzuerkennen, ist ein wichtiger Bestandteil für unsere Grundeinstellung, bringt uns aber auf unserem Weg zu einem erfüllenden Gemeinschaftsleben noch nicht viel weiter.
Es gibt aber einen großen Vorteil für uns Erwachsene: Kinder wollen mit uns kooperieren. Sie sind also durchaus bereit und willens ihre Bedürfnisse hinter unsere zu stellen. Um ihre Kooperation zu erhalten, können wir versuchen, ihre Bedürfnisse in unsere einzubinden. Also, Dinge wie anziehen oder Zähne putzen mit Spielen und körperlicher Nähe zu verbinden. Und wir können ihre Lust auf Selbstbestimmtheit herausfordern. Und genau darin liegt mein Geheimrezept. Besonders weil dieses auch bei älteren Kindern wunderbar funktioniert, die nicht mehr so ein großes Spielbedürfnis haben. Die wichtigste Zutat in diesem Rezept ist für mich der Rückzug.
Sobald Kinder sich als eigenständige Wesen erfahren, lieben sie das Wort NEIN. Und das sollten wir Erwachsene auch unbedingt akzeptieren, denn bei wem sollen Sie es denn üben, wenn nicht bei uns? Meistens tun wir aber das Gegenteil, wir versuchen in sie einzudringen, sie zu überzeugen, verlangen eine sofortige Antwort und sofortiges Handeln. Verständlich, wir wollen ja die Kontrolle behalten und unser Ziel erreichen. Aber tatsächlich bauen wir dadurch enormen Druck auf und erreichen in der Regel das Gegenteil dessen, was wir uns wünschen.
Wichtig ist dabei, dass ich darauf vertraue, dass das Kind mitmachen will. Ich gehe innerlich fest davon aus, dass ich mein Ziel erreiche. Dann schaue ich, dass ich weder wütend noch ungeduldig bin und falls ich diesen Zustand nicht habe, dann gehe ich erst mal auf Abstand und beruhige mich mit Atemübungen oder ähnlichem. Wenn ich meinen Kind klar sage, was ich von ihm möchte, achte ich auch darauf, dass ich nicht zu weit weg bin, sondern gehe zu ihm hin und schenke ihm meine volle Aufmerksamkeit. Ich spreche liebe- (ich achte darauf, dass ich tatsächlich Liebe empfinde während ich rede) und respektvoll (etwas, was wir von unseren Kindern verlangen, ihnen aber selten entgegen bringen) mit ihm und ziehe mich dann erstmal zurück. Entweder körperlich, also ich trete tatsächlich ein Stück weg oder geistig, ich warte einfach still auf die Reaktion. So gebe ich ihm Zeit, zu reagieren und damit klappt es in den meisten Fällen schon auf Anhieb.
Je nachdem, ob vielleicht schon starke Emotionen im Spiel waren oder sind, kann es etwas länger dauern mit der Reaktion und manchmal vielleicht auch ein paar Anläufe brauchen. Das heißt, ich gehe nochmal hin, äußere meinen Wunsch und ziehe mich wieder zurück. Vielleicht kann ich den Wunsch auch in irgendeiner Weise abändern, wenn ich merke, der Widerstand ist sehr groß. Vielleicht kann ich Alternativvorschläge machen oder alternative Handlungen aufzeigen. Kompromissbereit muss auch ich sein, nicht nur das Kind. Und je größer der Widerstand, desto wahrscheinlicher ist es, das mehr dahinter steckt als nur unterschiedliche Vorstellungen von Zeitvertreib. Wahrscheinlich steckt das Kind in einer Emotion fest, die gesehen werden muss.
Da wichtigste ist aber, dass es durch meinen Rückzug die Möglichkeit bekommen hat, selbstbestimmt und frei zu entscheiden, ob es mitmacht oder nicht. Und zwar in seinem eigenen Tempo.